Gates, Musk und Zuckerberg in den Kammerspielen als 'Very Rich Angels' (2024)

Als das Publikum den Saal betritt, ist sie schon da. Die dänische Künstlerin Madame Nielsen steht vor dem Eisernen Vorhang. Gekleidet wie ein Oberkellner einer Old-School-Hotelbar: Schnauzbart, schwarze Hose, weißes Jackett, Fliege, Stoffserviette über dem Arm. Sie steht da und blickt skeptisch in den Raum. Per Videobotschaft hatte sie, was nun folgen wird, bei der Spielzeit-Pressekonferenz der Kammerspiele selbstbewusst angekündigt als "die verrückteste und erfolgreichste Show, die München je erlebt hat".

Die reichsten Männer der Welt auf der Bühne

"Very Rich Angels" heißt das "intergalaktische Musical", das Nielsen mit Regisseur Christian Lolike verfasst hat und das die wirklich Reichen, die Superreichen, die reichsten Männer der Welt, auf die Bühne holt, die für diese bald zu eng wird. Bühnen- und Kostümbildnerin Katrin Bombe hat eine amerikanische Bar im 50er-Jahre-Style entworfen, bei der die Gedanken unwillkürlich zu Edward Hopper schweifen.

Bill Gates, Elon Musk und Mark Zuckerberg unter Masken

Für die Protagonisten - Bill Gates, Elon Musk und Mark Zuckerberg - hat sie gigantisch große Überköpfe entworfen, die es ihnen schwer machen, sich in der Welt der Normalos zu bewegen, und sie schon optisch zu skurrilen Vertretern einer eigenen Gattung machen. Gendern ist hier überflüssig: Diese Welt der Super-Reichen und -Mächtigen ist eine rein männliche. Ihr Leben eines im Superlativ.

Gates, Musk und Zuckerberg in den Kammerspielen als 'Very Rich Angels' (1)

Lebensbeichten der kapitalistischen Übermenschen

Als sich zu Beginn der Eiserne Vorhang hinter Madame Nielsen hebt, ist die Bar noch leer: Nur Elias Krischke, Jelena Kuljić und Jacob Suske fläzen im Hintergrund mit ihren Instrumenten, spielen mit Madame Nielsen auf zum ersten Song, der einem gleich Tom-Waits-Black-Rider-Vibes gibt: "Welcome to the Confessional Bar of Palo Alto/Free admission to all sinners of mankind/We serve you the pale alto beer/And the fulfillment of your deepest wish", singt und krächzt Madame Nielsen mit rauchiger Stimme ins Mikro. Und schon schaut der erste Gast durch ein Fenster herein: Christian Löber alias Bill Gates stört das eingespielte Nichtstun. Madame Nielsen fragt ihn nach seinen Wünschen und gibt sich nicht mit Cheeseburger und co*ke zufrieden. Sie will nicht weniger als seinen Lebenstraum hören. Und so nimmt alles seinen Lauf: Wir hören die Lebensbeichten der kapitalistischen Übermenschen, die sich in dieser Bar von ihren gigantischen Kopf-Helmen befreien und Mensch sein dürfen.

Während Bill also erzählt, wie er eines Tages vom Computer aufschaute und hinter dem echten "Window" einen brennenden Planeten sah, singt Madame Nielsen "What a suffering world": "I saw burning forests/And flooding lands…" Es folgt Annette Paulmann als Elon Musk. Der berichtet von seiner harten Kindheit in Südafrika, seinem schrecklichen Vater und seinem Traum von der Besiedlung des Mars. Paulmann tanzt nach Musks Erkenntnis, ein Genie zu sein, einen Tanz, der vielleicht als ADHS-Marker anerkannt werden könnte, vor allem aber ziemlich viel Spaß macht.

Neue Zivilisation auf dem Mars - mit Putin?

Dieser Abend ist Elons Abschied von Earth, und weil so ein Abenteuer schöner ist, wenn man Verbündete hat, überzeugt er Bill und später auch Mark, mitzukommen, eine neue, bessere, schönere Zivilisation auf dem Mars zu begründen: "den idealen freien Markt, einen Kapitalismus Mars-Punkt-Null". Der Mark Zuckerberg von Elias Krischke ist ein anderes Kaliber als Gates und Musk, ein kleiner religiös verwirrter Träumer, der sich als Messias seines Metaversums sieht und auch schon mal Leidensmann-Posen am Kreuz übt. Paulmann alias Musk ist überzeugt: "Er ist zu gut für diese Welt, er ist für die neue Menschheit auf dem Mars wie geschaffen!"

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Native Marsianer stören nur

Weil Madame Nielsen aber weiß, dass es da noch einen vierten mächtigen Mann gibt, der die Welt regiert, darf auch Putin vorbeischauen in dieser Bar der mächtigen Träumer. Wenn Jelena Kuljić den monströsen Putin-Kopf abnimmt und sagt: "Dies ist mein wahres Gesicht, das Gesicht des sanften guten Jungen, der ich war…", von einer harten Kindheit berichtet und dem Kapitalismus, der den guten Jungen in die Arme des Bösen getrieben hat - dann ist das wirklich ein Grusel-Moment. Zum Glück (oder Unglück!) aber würde Putin zwar sogar die Ukraine in Ruhe lassen, um mit auf den Mars zu dürfen, aber "unter der Regenbogenfahne dienen", "als Feminist und Fürsprecher der LGBTQIA2S+Bewegung", das ist dann zu viel verlangt. Er bleibt lieber hier und übernimmt die Erde. Ganz schön bitter.

Die drei Pioniere aber ziehen durch und finden auf dem Mars, ihrem "Utopia", zwar zum Glück keine "armen, leidenden Afrikaner" vor, wohl aber Leben der anderen Art, "native Marsianer" oder "Marzipaner". Und auf einmal sind die Großen ganz klein, ängstliche Würstchen in einer Welt, die sie dann doch nicht beherrschen. Im Gegenteil. Es folgt eine mystische intergalaktische Annäherung, aus der neues Leben erwächst.

Große Farce mit starkem Ensemble

Dieser Abend ist eine große Farce mit einem starken Ensemble, grandios-komischen Szenen und abstrusen Einfällen. Unterhaltsam und ziemlich unheimlich. Denn diese vier Riesenköpfe sind alle noch auf dieser Welt und lenken ihre Geschicke. Was die Verrücktheit angeht, hat Madame Nielsen also nicht zu viel versprochen. Der Erfolg kann später gemessen werden. Einen vielversprechenden Start jedenfalls haben die "Very Rich Angels" am Freitag hingelegt.

Kammerspiele, Schauspielhaus, wieder morgen und Do, 13., 21. und 22. Juni sowie im Juli, 20 Uhr, Karten und Infos online und unter % 233 966 00

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